Sind Zeit- und Geld-Investitionen in die Eye-Tracking Industrie lohnenswert?

Einführung

Dieser Beitrag wendet sich an all jene, die sich fragen, ob es lohnt, Zeit und Geld in die Eye-Tracking Industrie zu investieren.

  1. Studierende und viele Doktoranden fragen sich, ob die Zeit gerechtfertigt ist, die sie in das Studium für diese wissenschaftliche Methode investieren. Werden diese Kompetenzen auch nach Jahren noch in den anspruchsvollen Arbeitsmärkten nachgefragt werden?
  2. Die gleiche Frage stellen sich auch berufserfahrene Quereinsteiger, die sich durch die Fragestellungen angesprochen fühlen, die man mit Eye-Tracking bearbeiten kann.
  3. Für Manager und Mitarbeiter in Unternehmen ist es wichtig zu wissen, ob Weiterbildung zu Eye-Tracking Sinn macht, oder ob es eine vorübergehende BWL-Mode ist, die schon in wenigen Jahren wieder verschwunden sein wird.
  4. Zentral ist die Frage nach den Zukunftsaussichten der Eye-Tracking Industrie aber für alle Scientific Entrepreneurs, die in diesem Bereich ein eigenes Unternehmen gründen wollen.

Solange diese Fragen für die Zielgruppen nicht beantwortet sind, werden viele gar nicht erst die Anstrengungen unternehmen, sich weiter mit Eye-Tracking zu beschäftigen. Wir wollen aber diese Fragen nicht so beantworten, wie das für Werbeprospekte von Investmentfonds typisch ist. Statt dessen wollen wir hier transparent aufzeigen, wie wir zu den Antworten auf diese Fragen kommen. Sie müssen uns also nicht glauben, sondern können dann für selbst entscheiden, ob Sie diese Argumente für überzeugend halten oder nicht.

Welche Fragen müssen für die Humankapital- und Finanz-Investoren beantwortet werden?

(a) Hat Eye-Tracking bereits heute eine nennenswerte Größenordnung erreicht, sodass man überhaupt von einer „Eye-Tracking Industrie“ sprechen kann und dass es aus Sicht der Finanz- und Humankapitalinvestoren Sinn macht, bereits heute Geld bzw. Zeit hierin zu investieren?

(b) Welche der drei verschiedenen Subsektoren der Eye-Tracking Industrie (Hardware, Software, Solution Providers) werden schneller, welche langsamer wachsen?

Wie kann man sie beantworten?

(a) Hierzu:

  • werfen wir einen Blick auf die Größenordnung der Internetpräsenz von Eye-Tracking,
  • betrachten das Wachstum der wissenschaftlichen Eye-Tracking Forschungsarbeiten,
  • das Internet-Suchvolumen nach dem größten Eye-Tracking Hardware Unternehmen Tobii im Vergleich zum Internet-Suchvolumen nach „Smart Glasses“ und
  • den zeitlichen Verlauf der Entwicklung des Patentaufkommens für Eye-Tracking.

(b) Auch in der IT-Industrie bestehen die drei Subsektoren: Hardware, Software und Solution Providers. Und sie unterliegen bei ihren Wachstumsbedingungen ganz ähnlichen Faktoren, wie wir dies in der Eye-Tracking Industrie vorfinden. Deshalb nutzen wir die Daten zum Wachstum der Beschäftigung dieser drei Subsektoren der IT-Industrie, um zu qualitativen Aussagen über das zu erwartende Wachstum in der Eye-Tracking Industrie zu kommen.

Welche Größenordnung hat Eye-Tracking als Wirtschaftsfaktor bisher erreicht?

Eye-Tracking steht im Aufmerksamkeitswettbewerb mit anderen technologischen Innovationen wie z. B. Virtual Reality, Big Data, Wearables und 3D-Printing, um nur die bekanntesten zu nennen. Und bei diesem Wettbewerb geht es nicht nur um Aufmerksamkeit, sondern auch um Investitionen. In welche der vielen aufregenden Innovationen sollen Menschen ihre Zeit investieren, um die hierfür notwendigen Kompetenzen aufzubauen? Und wo sollen Finanzinvestoren ihr Geld und ihre Expertise investieren? Um diese Fragen beantworten zu können, ist nicht nur wichtig, verstanden zu haben, was Eye-Tracking an Wachstumspotenzial noch bieten wird und wie wichtig es für die Digitalisierung, die Medien, die Bildung, die Medizin und viele andere Bereiche unserer Gesellschaft und Wirtschaft sein wird. Wichtig ist vor allem auch das „Hier und Jetzt“. Wo steht Eye-Tracking heute – Anfang 2018 im Vergleich mit anderen spannenden Innovationen, die ebenfalls eine Zukunft haben werden? Und wie kann man „halbwegs objektiv“ eine Antwort auf diese Fragen geben?

Quantitative Daten statt „Experteninterviews“

Volkswirte begnügen sich nicht mit „Experteninterviews“ wie die Harvard Business School, die in erster Linie dem Netzwerken und dem Beziehungs-Marketing dienen. Als Volkswirt sucht man nach möglichst objektiven – eben quantitativen – Daten. Das ist aber gar nicht so einfach. Bei einer derart innovativen Industrie, die gerade erst noch im Entstehen begriffen ist, kann man nicht erwarten, dass hierfür informative Daten von den statistischen Ämtern erhoben werden. Es stehen aber heute durch das Internet neue Wege offen, Daten zur Größenordnung einer entstehenden Industrie selbstständig in Erfahrung zu bringen.

Man kann die Internet-Suchmaschinen nutzen und anhand der Anzahl der Ergebnisse für die Suchabfragen auf die relativen Größenordnungen schließen, die eine Innovation bisher beim Angebot an Informationen, Produkten, Kundenvideos, wissenschaftlichen Artikeln etc. erreicht hat. Bei allen Suchmaschinen ist leider die Erhebungssystematik vollständig intransparent.

Es sollte einem bewusst sein, dass die Angaben für die Anzahl der Suchresultate auf den meisten Suchmaschinen extrem übertrieben sind. Das ist eine schlechte, alte Angewohnheit aus den Kindertagen der Suchmaschinen-Industrie, als die verschiedenen Anbieter der Suchmaschinendienste versuchten, sich gegenseitig bei der Zahl der gefundenen Resultate zu überbieten. Auf diese Weise versuchten bzw. versuchen sie den Eindruck zu erwecken, die betreffende Suchmaschine hätte die größte Abdeckung im Netz und sei deshalb „die beste“ gemäß der Logik: „The winner takes all.“

Das ist aber für die allermeisten Nutzer gar kein relevantes Kriterium, denn sie schauen selten mehr als auf die ersten 10, 20 oder 50 Resultate. Eine Ausnahme sind z. B. Doktoranden, die sich die Mühe machen (müssen), auch mehr als 500 Suchresultate zu sichten. Wer das tut, dem wird es sicher auch schon passiert sein, dass er z. B. von der Suchmaschine Google gesperrt wird, weil Google angeblich eine „verdächtige Aktivität festgestellt habe“. Im Endeffekt zeigen sich dann aber dem beharrlichen Nutzer von z. B. behaupteten 23.500 Suchresultaten nur etwas mehr als 500. Was sagt uns das?

Es geht in dem hier betrachteten Zusammenhang aber auch gar nicht darum, präzise die tatsächliche Anzahl von Internet-Seiten in Erfahrung zu bringen, die sich mit Eye-Tracking beschäftigen. Vielmehr soll die Frage beantwortet werden, ob es sich bei Eye-Tracking um ein Thema handelt, dass zu einer beachtlichen Größenordnung herangewachsen ist – insbesondere auch im Vergleich mit anderen Innovationen. Um das mit Suchabfragen auf Google qualitativ beantworten zu können, kann man die folgende Vorgehensweise nutzen:

Datenerhebung durch Internet-Suchmaschinen

Erstens: Man führt nicht nur eine, sondern sieben verschiedene Suchmaschinen-Abfragen durch, bei denen man die unterschiedlichen Suchmaschinen von Google nutzt. Die Google-Suchmaschine zu den Patenten z. B. übertreibt die Zahl der Ergebnisse nicht, denn sie erlaubt, die Suchergebnisse in Form einer Excel-Datei herunterzuladen, auf der man dann die tatsächlich gefundenen Patente sehen kann. Auch die Ergebnisse auf Google-Scholar liegen nicht allzu weit von den tatsächlichen Größenordnungen, wie sich bei stärker fokussierten Abfragen mit geringeren Ergebnissen herausstellt, die man in endlicher Zeit noch per Hand ausführen kann.

Die Größenordnung der Internet-Präsenz von Eye-Tracking im Dezember 2017[1]

Google „eye-tracking“

3.510.000 Suchresultate

Die Größenordnung der Internet-Präsenz von Eye-Tracking bei PDF-Dokumenten im Dezember 2017

355.000 Suchresultate

Google PDF-Search „eye-tracking“ filetype:pdf

Die Größenordnung der Internet-Präsenz von Eye-Tracking bei Google-Books im Dezember 2017

Google-Books „eye-tracking“

110.000 Suchresultate

Die Größenordnung der Internet-Präsenz von Eye-Tracking bei Google-Video im Dezember 2017

Google Video Suchmaschine „eye-tracking“

180.000 Suchresultate

Die Größenordnung der Internet-Präsenz von Eye-Tracking bei Google Patent Search im Dezember 2017

Google Patent Suchmaschine „eye-tracking“

2.213 Suchresultate

Die Größenordnung der Internet-Präsenz von Eye-Tracking bei Google-Scholar Search im Dezember 2017

Google-Scholar Suchmaschine „eye-tracking“

199.000 Suchresultate

Vergleich der Internet-Präsenz von Eye-Tracking zu anderen technologischen Innovationen

Zweitens: Der zweite Schritt besteht dann darin, dass man solche Suchabfragen nicht nur zu Eye-Tracking durchführt, sondern für weitere Begriffe, die für technologische Innovationen stehen. Trifft man die nicht unrealistische Annahme, dass die Zahlen für die Suchergebnisse für diese Innovationen in ähnlicher Weise nach oben hin verzerrt sind wie bei der Suche nach Eye-Tracking, so kann man auf diese Weise immerhin einen qualitativen Eindruck von der relativen Größenordnung erhalten, die heute für Eye-Tracking im Vergleich zu anderen technologischen Innovationen gelten. Konzentriert man sich auf die Spalte für Google Scholar, die die Aufmerksamkeit einer technologischen Innovation in der wissenschaftlichen Welt widerspiegelt, so erkennt man, dass die relative Bedeutung von Eye-Tracking (199.000) vergleichbar ist mit anderen technologischen Innovationen, die allerdings ein Vielfaches der Medienaufmerksamkeit erhalten, wie sich durch einen Vergleich mit der ersten Spalte ablesen lässt. Während also Eye-Tracking bei der Suche auf Google-Scholar zu 199.000 Resultaten führt, ergeben sich bei solchen Suchabfragen die folgenden Suchresultate für z. B. „augmented reality“ (206.000), „big data“ (265.000), “assistive technology” (121.000), „e-health“ (214.000), “m-health” (92.800), „3d printing“ (87.300), “wearables” (26.100), “smart glasses” (8.950) und zur “digitalization” (124.000). Auch bei den Patenten ist Eye-Tracking (3.361 Resultate) durchaus vergleichbar mit „big data“ (3.476), „e-health“ (1.616), “m-health” (418), „3d printing“ (3.752) und “wearables” (3.767). Das beantwortet die Frage nach der relativen Bedeutung von Eye-Tracking in der Wissenschaft. Die Aufmerksamkeit für Eye-Tracking ist demnach durchaus vergleichbar mit anderen zentralen Innovationen der Digitalisierung.

Für die Größenordnung der Angebote für Nutzer des Internets, die weniger gezielt suchen, ist die erste Spalte relevant. Hier zeigt sich, dass Eye-Tracking Internet Angebote für den populären Bereich nur einen winzigen Bruchteil ausmachen, den „Trend-Themen“ wie z. B. „Virtual Reality“ erreichen. Deshalb darf es nicht verwundern, wenn einem auch im Jahr 2017 Zeitungsleser mit einer guten Allgemeinbildung begegnen, die nicht wissen, was Eye-Tracking ist.


Eigene Erhebung am 22. und 23. Dezember 2017.

Was kann aber Eye-Tracking dazu verhelfen, im Aufmerksamkeitswettbewerb mehr Beachtung zu erfahren als in der Vergangenheit? Menschen, die noch nie davon gehört haben, erreicht man auch durch Search Engine Optimization nicht, denn sie kennen den Suchbegriff „Eye-Tracking“ gar nicht. Für Eye-Tracking Anbieter ist SEO in derart innovativen Bereichen wenig hilfreich, um z. B. Manager auf sich aufmerksam zu machen, die nur das Handelsblatt lesen, aber nicht z. B. Golem:

Aufmerksamkeitsvorsprung durch Gegenständliches

Aber ein Bild mit einem neuen, unbekanntem Gegenstand kann plötzlich dazu führen, dass Fragen gestellt werden. Nehmen wir hier den Beitrag „The battle for attenion in your living room“ der neuen Website von Google: „think with Google“ als Beispiel. Schaut man sich das Bild dort an, so werden vielen Besuchern die Eye-Tracking noch nicht kennen, Fragen kommen, wie z. B.: „Was für Brillen trägt denn das Ehepaar, das da etwas verkrampft auf dem Bild lächelt?“ Und: „Wofür setzt das weltweit größte Internet-Unternehmen diese Brillen ein?“ „Ach so, das sind Eye-Tracking Brillen. Wofür braucht man die denn?“

Wir lernen eben viel schneller durch Bilder als durch Lesen. Und vor allem nehmen wir Neues ungleich schneller durch Bilder auf. Die Erfindung mobiler Eye-Tracker macht aus einer sehr abstrakten wissenschaftlichen Methode etwas, das man anfassen und im wahren Sinne des Wortes „begreifen“ kann. Diese schlichte Einsicht kann gar nicht genug betont werden, wenn es um das Marketing für die Anwendung wissenschaftlich fundierter Lösungen geht. Bleiben wir im Bild und nehmen wir ein Beispiel solcher wissenschaftlich fundierten Lösungen, die es extrem schwer haben, einem breiteren Publikum verständlich zu werden: „Big Data“ und „Data Science“.

Der Nachteil beim Aufmerksamkeitswettbewerb für nicht-gegenständliche wissenschaftliche Fächer: Beispiel Data Science

Einem Volkswirt, der Ökonometrie als Wahlfach studiert hat, braucht man die wirtschaftliche Bedeutung und den Nutzen von Big Data nicht mehr zu erklären. Diese Menschen haben sich jahrelang genau damit beschäftigt, ohne dass sie je etwas hätten anfassen können, was man hiermit bewirken kann. Aber diese Gruppe von Menschen ist eine winzig kleine Minderheit, wie jeder bestätigen kann, der mit einer Handvoll von Kommilitoninnen und Kommilitonen die entsprechenden Seminare besucht hat. Big Data – das Kerngeschäft z. B. von Google – ist richtig schwer zu vermarkten.

Wie die Suchabfragen zur Internetpräsenz zeigen, ist Big Data zwar etwa 20-mal stärker auf dem Internet durch Angebote vertreten als Eye-Tracking.[1] Aber den absolut wenigsten Menschen ist klar, welchen Nutzen das Fach leistet. Und unter den Managern findet man noch weniger Menschen, die Ökonometrie studiert haben. An den „Top Business Schools“ in den „Top MBA-Programmen“ wird dieses Fach zumindest nicht unterrichtet.

Probleme der Datensicherheit, die von technologischen Innovationen ausgehen können

Was das Marketing von „Big Data“ Lösungen noch weiter erschwert, das ist die Tatsache, dass jeder, der in Deutschland Daten erhebt, auf ein enormes Misstrauen und eine tiefe Feindschaft trifft, denn: „Diese Daten würden ja missbraucht, um Kunden und Bürger ‚auszuspionieren‘“. Es sind aber gar nicht nur die ehemaligen Stasi-Mitarbeiter, die so denken. Diese Feindschaft der Datenerhebung gegenüber ist extrem weit verbreitet in Deutschland. Und durch das Verhalten von Facebook haben diese Vorbehalte auch eine Berechtigung erhalten.

Diese Vorbehalte betreffen aber letztlich auch Eye-Tracking und werden von denjenigen Journalisten befeuert, die es bis heute nicht lernen wollten, wie man visualisierte Daten korrekt interpretiert. So verwendet der Wikipedia-Beitrag in Deutsch 216 von insgesamt 430 Wörtern auf die rechtlichen Bedenken und Vorbehalte, warum man Smart-Glasses nicht nutzen sollte, denn hiermit würden ja auch Daten erhoben.[2] Zurück zur Gegenständlichkeit des abstrakten Wissenschaftsfeldes Eye-Tracking.

Warmer Rückenwind für Eye-Tracking durch Smart-Glasses

Die öffentliche Aufmerksamkeit, die Smart-Glasses erfahren, hilft natürlich auch dabei, Interesse für die mobilen Eye-Tracker und ihre Anbieter (wie z. B. das Unternehmen Tobii) zu wecken. Und die Grafik zum Internetsuchvolumen weltweit zeigt die Parallelität des Wachstum beim Interesse für Smart-Glasses und Eye-Tracking.

Eye-Tracking-Hardware, -Software und Lösungsanbieter

Als nächstes stellt sich für Investoren von Human- und Finanzkapital in der Eye-Tracking Industrie die Frage, in welchem der drei direkt mit Eye-Tracking verbundenen Subsektoren es zu persistenten Wachstumsprozessen kommen wird. Diese drei mit Eye-Tracking verbundenen Sektoren sind: (i) Hardware, (ii) Software und (iii) Eye-Tracking Lösungsanbieter. Jede dieser drei Sektoren bietet unterschiedliches langfristiges Wachstumspotenzial und ist unterschiedlichen Wettbewerbskräften ausgesetzt, die das Gewinnpotenzial begünstigen oder erschweren können. Im Fokus vieler kurzfristig orientierten Finanzinvestoren – deren Aufmerksamkeit sich ähnlich entwickelt wie das der Konsumenten – stehen häufig die (i) Hardware-Anbieter. Die Bedeutung der (ii) Eye-Tracking Software Anbieter erschließt sich ohnehin nur den „Insidern“, die mit Eye-Tracking beruflich arbeiten. Aber langfristig zeigen gerade die (iii) Anbieter von forschungsbasierten, individuellen Firmenkundenlösungen das eindeutig persistentere Wachstum, was sie aus Sicht der langfristig orientierten Finanzinvestoren und insbesondere der Humankapitalinvestoren besonders interessant macht.

Um das zu erkennen, werfen wir einen Blick auf die drei Subsektoren innerhalb der IT-Industrie: (i) Hardware, (ii) Software und (iii) IT-Kundenlösungen, denn die wirtschaftlichen Faktoren, die die Wachstums- bzw. Schrumpfungsprozesse bedingen, sind in der Eye-Tracking Industrie ganz ähnlich zu denen in der IT-Industrie. Diese Faktoren sind z. B.:

  • der Preisverfall bei Hardware,
  • der Wettbewerbsdruck durch ausländische Anbieter für die handelbaren Güter und
  • die zeitlich begrenzte wirtschaftliche Lebensdauer von Patenten, die durch neuere Erfindungen wieder obsolet werden.

Auch in der Eye-Tracking Industrie wirken sich diese Faktoren auf die differenziellen Wachstums- und Schrumpfungsprozesse in diesen Subsektoren aus.

Aus langfristiger Sicht ist es die Entwicklung des eingesetzten Humankapitals, also der Zahl der Beschäftigten über die Zeit hinweg, die uns Auskunft über Wachstum und Schrumpfung in solchen Subsektoren gibt. Diese Entwicklung kann man sehr gut anhand der detaillierten Beschäftigungsdaten ablesen, die das Bureau of Labor Statistics des United States Department of Labor seit 1990 auf monatlicher Basis für insgesamt 854 verschiedene Wirtschaftssektoren und Subsektoren erhebt.[1] Es stehen für jeden dieser Wirtschaftssektoren damit Zeitreihen mit 318 Monatsdaten zur Verfügung! Dieser enorme Detaillierungsgrad ist die Vorbedingung dafür, dass man innerhalb der wachsenden IT-Industrie die unterschiedlichen Wachstums, aber auch die weniger offensichtlichen Schrumpfungsprozesse bei der Beschäftigung messen und sehen kann.

Screenshot von: https://www.bls.gov/web/empsit/cesprog.htm am 19. Dezember 2017.

Für den IT-Sektor finden sich hier Beschäftigungsdaten zu den folgenden 10 IT-Subsektoren Daten:

Beschäftigungswachstum von IT-Subsektoren in den USA 1990-2016

Datenquelle: United States Bureau of Labor Statistics via Datastream und eigene Berechnungen, © Eye-tracking-Education.com

IT-Hardware

Das Phänomen ist alt bekannt. Die Arbeitsplätze in der verarbeitenden Industrie des IT-Sektors wandern immer weiter von den Hoch-Lohnländern in die Niedrig-Lohnländer. Dementsprechend fallen die Preise für IT-Hardware und werden auf diese Weise auch für Bezieher niedrigerer Einkommen oder kleinerer Unternehmen erschwinglich. Dieser Preisverfall lässt sich auch bei der Eye-Tracking Hardware bereits jetzt beobachten und wird sich in den nächsten Jahren insbesondere auch durch Open-Source-Angebote noch fortsetzten.

Die Beschäftigungsentwicklung in IT-Hardware Produktion
in den USA

Software

Demgegenüber stieg die Beschäftigung in der Software Produktion in den USA um durchschnittlich 3,9% pro Jahr, womit sich die Zahl der Beschäftigten um mehr als das Dreifache in der Zeit von Januar 1990 bis Juni 2016 erhöhte. Auch wenn der Anstieg nicht monoton verlief, sondern die DOT-Com Krise auch hier zu vorübergehenden Schrumpfungsprozessen führte, ist der langfristige Trend doch eindeutig positiv.

Die Beschäftigungsentwicklung in der IT-Software Produktion in den USA

IT-Firmenkundenlösungen

Noch stürmischer war das Wachstum beim Angebot individueller IT-Firmenkundenlösungen. Hier betrug das Beschäftigungswachstum mehr als 5,3 % pro Jahr.

Die Beschäftigungsentwicklung bei den Anbietern
von IT-Kundenlösungen in den USA

Diese drei Grafiken zeigen die gegenläufige Beschäftigungsentwicklung in den Teilen der IT-Industrie, die der verarbeitenden Industrie und den Teilen, die der Dienstleistungsindustrie zuzurechnen sind. Während sich in der verarbeitenden Industrie des IT-Sektors die Beschäftigung fast halbierte, haben die beiden Subsektoren, die der Dienstleistungsindustrie zuzurechnen sind, zusammengenommen etwa 1,5 Millionen zusätzliche Jobs in den USA generiert.

Die dahinter stehende ökonomische Logik ist simpel. Sinkende Preise bei der Hardware verringern den Anteil der ökonomischen Wertschöpfung, der durch Hardware vereinnahmt werden kann. Diesen Effekt ändern auch Patente nur insofern, als sie den Verfall der Gewinne nur verzögern, aber nicht völlig eliminieren, denn bestehende Patente werden häufig wirtschaftlich durch Weiterentwicklungen obsolet. Doch angewandte Forschung & Entwicklung, die die Anforderungen von Firmenkunden passgenau erfüllt, unterliegt nicht diesem Wettbewerbsdruck. Deshalb werden sie einen zunehmend größeren Anteil der gesamten Wertschöpfung innerhalb der Eye-Tracking Industrie in Zukunft vereinnahmen. Bergstrom und Schall [2014, Seite xix-xx] schreiben hierzu:

“Eye-tracking hardware will soon become a commodity. Many inexpensive, video-based systems, intended for a variety of evaluation and control applications, have recently entered the market. Mobile devices are also starting to include the basic ability to track users’ eyes for a variety of purposes.”

Dem könnte man noch hinzufügen, dass auch Open Source Lösungen sowohl für Hardware als auch für Software zu weiter schrumpfenden Gewinnen dieser beiden Stufen der Wertschöpfung führen werden.

Die Entwicklung der Patente und des Forschungsoutputs für Eye-Tracking

Das Entstehen einer innovativen Industrie wie der Eye-Tracking Industrie zeigt sich zunächst am Output der öffentlich frei zugänglichen Forschungsarbeiten und an den Hardware und Software Patenten, die angemeldet werden. Dass die Zahl der jährlich angemeldeten Eye-Tracking Patente wieder zurückgehen, kann als ein Hinweis gewertet werden, dass sich mittlerweile ausreichend viele ausgereifte Hardware und Software Lösungen etabliert haben und dass der Raum für Verbesserungen kleiner geworden ist. Das bedeutet sicher nicht, dass die Suche nach weiteren Verbesserungen wirtschaftlich sinnlos wäre. Insbesondere die Entwicklung eines verbesserten, robusten, wasserdichten, mobilen Eye-Trackers wäre sicher sehr sinnvoll und würde den Anwendungsbereich von Eye-Tracking noch weiter ausdehnen.

Ungebrochen ist aber das Wachstum der Forschungsartikel im Bereich Eye-Tracking. Und wer sich mit den über 40 verschiedenen Fakultäten beschäftigt, die Eye-Tracking bisher nutzen, der sieht sehr schnell, wie viel Potenzial für angewandte Forschung hier noch besteht, das auch wirtschaftlich relevant ist.

So sind es nicht nur die sinkenden Preise für Hardware und Software, die das Wachstum der Eye-Tracking Lösungsanbieter in Zukunft noch weiter antreiben werden. Ein weiterer Faktor besteht in der verbesserten Produktivität der gelieferten Lösungen für die Firmenkunden. Diese Produktivitätsverbesserungen ergeben sich aus dem ständig wachsenden Fundus der anwendbaren wissenschaftlichen Forschungsergebnisse. Das Wachstum des öffentlich zugänglichen Forschungsoutputs (jeweils für die dargestellten Zweijahreszeiträume) ist in der Grafik ersichtlich.

Das zukünftige Wachstum spezialisierter Eye-Tracking Lösungsanbieter

Aus diesem wachsenden Bestand an wissenschaftlichen Forschungsergebnissen ergeben sich dann weitere Anwendungen für die angewandte kommerzielle Forschung & Entwicklung und die Arbeitsgebiete der Eye-Tracking Lösungsanbieter. So ist Marketing ein wichtiger Schwerpunkt der angewandten Eye-Tracking Forschung, sowohl im wissenschaftlichen als auch im kommerziellen Bereich. Eye-Tracking Lösungsanbieter sind daher den Arbeitsfeldern „Management Consulting“, „Marketing Consulting“, den innovativen technischen Beratungsdienstleistungen, die unter „Other Technical Consulting Services“ zusammengefasst werden, sowie den „Scientific Research & Development Services“ zuzuordnen. Die nebenstehenden Grafiken zeigen das Beschäftigungswachstum und seine Persistenz in all diesen Arbeitsfeldern in den USA im letzten Vierteljahrhundert.

Dass Marketing Beratungsunternehmen seit Jahrzehnten derart persistent wachsen, ist leicht zu erklären. Die primäre Expertise besitzen innovative Unternehmensgründer typischerweise im Bereich der Produktion und der Forschung & Entwicklung ihrer Güter und Dienstleistungen. Die Markt- und Kundenseite hingegen liegen weiter entfernt von ihren eigenen Interessen, sind aber absolut zentral für das wirtschaftliche Überleben und das langfristige Wachstum. Damit zahlt es sich für solche Unternehmen aus, das Wissen und die Erfahrung solcher spezialisierten Berater zu nutzen. Das Problem ist nur: Es ist ungleich einfacher, eine beeindruckende Power-Point-Präsentation zu entwerfen, als technisch geschulte und analytische Kunden und ihre Bedürfnisse und vor allen Dingen auch die anspruchsvollen technischen Lösungen zu verstehen, die vermarktet werden sollen. „Dress for success“ und Rhetorik reichen hier nicht.

Die Eye-Tracking Dienstleistungen für die unterschiedlichen Anwendungen und Industrien, die wir hier auf unserer Website diskutieren, sind alle diesem dritten Subsektor zuzuordnen. Solche individuellen Firmenkundenlösungen können erheblichen Mehrwert bringen. Die Anbieter solcher Eye-Tracking Dienstleistungen stehen nicht im globalen Wettbewerb, sondern entwickeln langfristige Kundenbeziehungen mit lokalen Firmenkunden.

 

[1] Zwischen Big Data und Eye-Tracking bestehen viele Verbindungen. Zum einen generiert jeder, der Eye-Tracking Studien durchführt, sehr schnell Datenvolumina, die alles in den Schatten stellen, was auch die größten Ökonometrie-Studien früher nutzten. Um diese Daten zu analysieren, benötigt man ganz ähnliche Software. Die zweite Verbindung ergibt sich aus der Visualisierung der Daten.

[2] Siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Smartglasses

[1] Alle Screenshots wurden am 17. Dezember 2017 erstellt.

[1] In den Erläuterungen zu diesen Daten bei Daten heißt es bei Datastream (ThomsonReuters): „The Current Employment Statistics Program provides employment, paid hours, and earnings information on a national basis in considerable industrial detail. The Bureau of Labor Statistics collects data each month from a sample of establishments in all nonfarm activities including government. The data include series for total employment; number of women employees; number of production or nonsupervisory employees; and for both all employees and for production and nonsupervisory employees, average hourly earnings, average weekly hours, average weekly earnings, and average weekly overtime hours. Overtime hours are produced for manufacturing industries only. A sample of approximately 140,000 businesses and government agencies representing approximately 410,000 worksites throughout the Unites States is utilized for this monthly survey. For hours and earnings of production or nonsupervisory workers in private, nonagricultural industries, the sample contains about 255,000 employer units. All employment, hours and earnings series are classified according to the 2007 North American Industry Classification System (NAICS). The industry code used in the survey corresponds to the NAICS code, except in those cases where more than one NAICS has been combined.“

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