Marketing Innovationen und Marketing für Innovationen

Marketing, Vertrieb und Verkauf sind die betriebswirtschaftlichen Bereiche, in denen häufig die höchsten Gehälter gezahlt werden, denn der Anteil am finanziellen Erfolg des Gesamtergebnisses der Arbeit dieser Mitarbeiter ist besonders transparent und damit leichter individuell zurechenbar. Das Problem ist nur: Die hohen Gehälter ziehen Personen an, die stärker auf sozialen Status fixiert sind und weniger sachorientiert und analytisch arbeiten wollen und können. In diesen Bereichen kann man deshalb häufig beobachten, dass für viele Mitarbeiter die Selbstdarstellung und Selbstvermarktung im Vordergrund steht, im Vergleich dazu aber die Fähigkeiten zur Identifikation, Analyse und kreativen Lösung von Problemen eher unterentwickelt sind. Die Aufgabe dieser Mitarbeiter besteht aber darin, die Produkte des Unternehmens zu vermarkten und nicht sich selbst.

Bei den klassischen Marktschreiern ist allerdings die Selbstvermarktung ganz eng an die Vermarktung der Produkte gebunden. Das zeigt uns eindrucksvoll der lauteste Marktschreier von Duisburg-Wanheimerort, Wurst-Achim mit seiner bis zu 110 dB starken Stimme.

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„https://www.youtube.com/watch?v=r1_DhLIcn3M“
„stadt-panorama TV: Marktschreier in Wanheimerort“

Die Idee, Menschen, die sich selbst gut vermarkten können, müssen auch die Produkte des Unternehmens ähnlich gut vermarkten können, mag in der Kosmetikbranche durchaus zutreffend sein. Bei technologisch anspruchsvollen Innovationen, die erklärungsbedürftiger sind als eine Wurst, stoßen solche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aber schnell an ihre Grenzen und führen dann auch nicht zu den erhofften Markterfolgen für die innovativen Unternehmen.

Technologisch-wissenschaftlich anspruchsvolle Innovationen sind selten selbsterklärend

Vielmehr erfordern sie gerade das, was man als „Customer Education“ bezeichnet. Unsere gesamte Website dient letztlich auch der Customer Education im B2B-Bereich – also der Firmenkundenbildung zu deutsch – für all jene Unternehmen, die Eye-Tracking sinnvoll in den unterschiedlichen Unternehmensfunktionen einsetzen könnten und sollten es aber bisher noch nicht tun. Erst nachdem die wichtigen Entscheidungsträger verstanden haben, welchen Mehrwert eine Innovation für das Unternehmen bringen kann und welchen Wettbewerbsvorsprung das Unternehmen erzielen könnte, wenn es diese Innovation nutzt, erst dann besteht die Chance, dass eine Innovation auch tatsächlich eingesetzt wird. Die Betonung liegt hier auf „verstehen“ und nicht auf „überreden“.

Marketing für solche Innovationen hat dann aber nichts mehr gemein mit marktschreierischer Werbung, die sich der üblichen Methoden der Übertreibung bedient, um im Aufmerksamkeitswettbewerb Gehör zu finden. Gerade diejenigen Unternehmer – und ihre Einkäufer – die ihre Ausbildung in den MINT-Fächern erhalten haben, beurteilen die dargebotenen Produktinformationen auf Sachlichkeit, Detailreichtum und den Bezug zu wissenschaftlichen Forschungsergebnissen. In den MINT-Fächern und der theoretischen Volkswirtschaftslehre und der Ökonometrie wird akademische Qualität und damit auch die Kompetenz des Anbieters danach beurteilt, ob Probleme identifiziert, analysiert und letztlich fundierte und innovative Lösungsvorschläge präsentiert werden. Solche Kunden filtern die dargebotenen Informationen danach, ob sie innovativ und fundiert sind. Übertreibungen oder unbewiesene oder unbeweisbare Behauptungen diskreditieren den Anbieter sofort. „A leading provider“ sind sie ja alle. Das kann man sich dann auch sparen, darauf hinzuweisen.

Zeitsparende, allgemein verständliche Customer Education für das Marketing wissenschaftlich anspruchsvoller Innovationen

Das bedeutet aber auch: Je intellektuell anspruchsvoller und innovativer das Produkt oder die Dienstleistung ist, desto wichtiger wird es für den Marketing-Erfolg, dass die Inhalte allgemein verständlich und zeitsparend vermittelt werden. Das Anspruchsniveau der Inhalte dieser Customer Education nähert sich dabei immer stärker dem wissenschaftlichen Niveau der Innovationen an. Der fundamentale Unterschied erfolgreicher Customer Education zur universitären Wissensvermittlung besteht aber darin, dass Allgemeinverständlichkeit und Zeitersparnis aufseiten der Lerner zu Schlüsselkriterien bei der Bewertung der Erfolgsaussichten werden. Beides ist im universitären Sektor jedoch weitgehend unbekannt – wenn nicht gar verpönt.

Die Innovatoren brauchen daher an dieser Stelle die Unterstützung durch Menschen, die allgemein verständlich schreiben können, gleichzeitig aber auch anspruchsvolle Inhalte verstehen und diese Inhalte so vereinfachen können, dass die wesentliche Nachricht kommuniziert wird, ohne dass dabei wichtige Inhalte verloren gehen. Um im akademischen Bild zu bleiben: Es geht sozusagen um den Produktionsschritt von den wissenschaftlichen Artikeln, die die Innovationen enthalten, hin zum Lehrbuch das aufgrund seiner Allgemeinverständlichkeit zum Bestseller wird. Ein Beispiel kann helfen, um deutlich zu machen, wie Customer Education hier die entscheidende Marketing-Maßnahme wird.

Bildnachweis: Screenshot von: https://open.sap.com/courses/hsvo2 am 13. Dezember 2017

Data Science und Big Data generieren intellektuell anspruchsvolle Innovationen, die alles andere als selbsterklärend sind. Um hierfür erfolgreiche Customer Education zu produzieren, bedient man sich sinnvollerweise zweier Techniken: Die Visualisierung von quantitativen Daten und das, was man als „Data Story Telling“ bezeichnet. Die Visualisierung von quantitativen Daten ermöglicht es, große Mengen von Daten auf nur noch einige wenige Dimensionen zu komprimieren, die man mit entsprechender Vorbildung oder mit Hilfe von Anleitungen leicht interpretieren kann. Durch „Data Story Telling“ stellt man die Verbindung her zwischen der Informationsgewinnung der quantitativen Daten – z. B. bei den Kunden – der Anwendung quantitativer Methoden, die aus diesen Daten wichtige Entscheidungsparameter extrahieren und den Entscheidungen und ihren ökonomischen Konsequenzen für das Unternehmen und ihre Kunden. Was zunächst extrem abstrakt erschien und kaum noch zu vermitteln war, wird auf diese Weise anschaulich in die „reale Welt“ der Entscheidungen und ihrer Konsequenzen zurückgeholt.

Was hat all das aber mit Eye-tracking zu tun?

Die Verbindung wird schnell klar, wenn man die Eye-Tracking Anwendungen im Bildungssektor betrachtet, die sich natürlich auch für Customer Education nutzen lassen. So können die Augenbewegungen beim „Lesen von Visualisierungen“ quantitativer Daten mithilfe von Eye-Tracking beobachtet werden. Das wiederum erlaubt es, die Mühelosigkeit des Verstehens solcher Visualisierungen zu überprüfen und schrittweise zu optimieren. Darüber hinaus kann durch Eye-Tracking die Leseverständlichkeit von Texten quantitativ gemessen werden. Unverständliche Werbematerialien können auf diese Weise verbessert werden, noch bevor sie auf potenzielle Kunden treffen.

Auch die Messung der mentalen Beanspruchung (Cognitive Load) kann durch Eye-Tracking gemessen werden. Software.Demonstrationen haben die Tendenz, den Neuling mit zu viel an Informationen in zu kurzer Zeit zu „bombardieren“. Das nützt dann niemandem. Solches „information overload“ lässt sich dann anhand der Augenbewegungen mit Eye-Tracking aufdecken. Und schließlich wird Eye-Tracking auch dazu eingesetzt, um Menschen beim Betrachten von Videos zu beobachten und dadurch Rückschlüsse auf ihre Aufmerksamkeit, ihre Informationsaufnahme und ihre Interessen zu ziehen.

Für welche Industrien ist es besonders sinnvoll, Customer Education zu nutzen und hierbei Eye-Tracking einzusetzen?

Es sind die besonders innovativen Industrien und Unternehmen, für die Customer Education so wichtig ist:[1]

  • Software
  • Finanzindustrie: Anlegerbildung
  • Nachhaltiger Konsum (Sustainable Consumption)
  • CleanTech
  • Medizintechnik
  • Hilfsmitteltechnologien – Assistive Technologies (Ambient Assisted Living)
  • E-Health, M-Health
  • Wearables
  • Augmented Reality
  • Experential Services

Auf jede dieser Wirtschaftsbranchen gehen wir auf unserer Website noch einmal gesondert ein.

Literatur

Anders, Thomas, Geldmacher, Elmut, Nessmann, Karl und Olson, Peter, [2011], Der Mensch als Marke: Konzepte, Beispiele, Experteninterviews, BusinessVillage, 2011.

[1] Auf der Video Suchmaschine von Google finden sich allein für das Unternehmen Tobii mehr als 500 Videos, die der Customer Education dienen.

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