Eye-Tracking & Mittelstand
„zu teuer“, „zu viel Aufwand“, „technische Spielerei ohne Nutzwert“. Das sind die typischen Vorbehalte gegen den Einsatz von Eye-Tracking, wenn man mit Unternehmen des Mittelstandes spricht. Und im Internet befindet sich tatsächlich viel Desinformation zum Eye-Tracking, das solche Urteile nahelegt.
„zu teuer“
Auch die Deutsche Telekom verbreitet solche Fehlinformationen, z. B. über die Kosten von Eye-Tracking Technologien. So findet sich ausgerechnet auf ihren Seiten digitaler-mittelstand.de die irreführende Meldung:
„Eye Tracking: Maschinen steuern per Blickkontakt“ – Oliver Kainz, 17. Juni 2015: „Eye Tracking ist in der Wirtschaft vielfältig einsetzbar. Doch noch ist die Zukunftstechnologie ein teures Vergnügen: Eine Datenbrille des Schweden John Elvesjo schlägt mit 15.000 US-Dollar zu Buche.“
Hier wollte man wohl die Nennung des Namens Tobii vermeiden. Denn dann hätte man leicht herausfinden können, dass dieser Preis weit übertrieben ist. Eye-Tracking Hardware und Software werden seit Jahren immer preiswerter und liegen preislich in Bereichen, die auch für kleinere Unternehmen erschwinglich sind (siehe „Was kostet Eye-Tracking?“). Wenn ein Unternehmen eine Eye-Tracking Studie in Auftrag gibt, muss es hierfür ohnehin nicht die technische Ausstattung kaufen, sondern kauft eine Dienstleistung für eine Problemlösung.
„zu viel Aufwand“
Es gibt viele Wege, um die Wünsche und Erwartungen potenzieller Kunden, die bisher – aus welchen Gründen auch immer – noch nicht zu den etablierten Kunden gehören, in Erfahrung zu bringen. Aber jeder dieser Wege ist mit nicht unerheblichem Aufwand verbunden. Für das Kosten-Nutzen-Verhältnis solcher Nachforschungen sind aber nicht nur die Kosten ausschlaggebend, sondern der tatsächliche Informationsgehalt. Wie objektiv und letztlich aussagekräftig über das tatsächliche Kaufverhalten sind die Ergebnisse? Befragungsergebnisse setzen immer voraus, dass die Befragten die Wahrheit über ihre eigenen Wünsche und Erwartungen ganz bewusst preisgeben wollen. Augenbewegungen, die durch Eye-Tracking aufgezeichnet werden, reflektieren auch unterbewusste Prozesse, die nachweislich mit in Kaufentscheidungen einfließen, aber den Menschen selbst nicht bewusst sind und deshalb auch nicht in den üblichen Marktforschungsbefragungen oder durch die „Think Aloud“-Methode der Usability-Forscher zutage treten.
„technische Spielerei ohne Nutzwert“
Als technische Spielerei wird häufig das bezeichnet, was man selbst nicht versteht. Unsere gesamte Website dient dem Ziel, Eye-Tracking möglichst allen Interessierten verständlich und zeitsparend zu erklären. Wie groß oder klein aber der Nutzwert für ein konkretes Unternehmen sein kann, hängt natürlich immer von den Produkten und den Kunden des Unternehmens ab. Für einen privaten Radiosender mag der Nutzwert durchaus gleich null sein. Die Beispielfälle, die wir hier aufführen, zeigen aber, dass auch für kleinere Unternehmen der Nutzwert sehr signifikant sein kann.
Die Qualität der Internet-Präsenz kleiner und mittelständischer Unternehmen
Es sind gerade die kleineren und mittelständischen, eigentümer-geführten Unternehmen, die häufig eine starke Kundenorientierung besitzen und die Fähigkeit, den Kunden und ihren Wünschen und Beschwerden zuhören zu können. Auch bringen viele dieser Unternehmen die erforderliche langfristige Orientierung mit, die für den Aufbau von vertrauensbasierten Geschäftsbeziehungen die Grundlage bieten. Für diese Unternehmer hat Eye-Tracking sehr viel zu bieten.
Das fängt damit an, dass kleinere Unternehmen auch häufig sehr kleine Werbebudgets haben und es sich nicht leisten können, große Streuverluste durch hohe Ausgaben zu kompensieren, wie dies Großunternehmen tun können. Mithilfe von Eye-Tracking lässt ich aber für die relevanten Zielgruppen sehr präzise herausfinden, ob die Werbebotschaft auch wirklich wahrgenommen wird.
Zur ehrlichen Kundenorientierung gehört auch, dass der Unternehmer auf das Produktdesign, die eigene Website, die Webformulare „durch die Augen der Kunden schauen will“ und all das so wahrnehmen will, wie es seine Kunden sehen und nicht, wie es sein Marketingleiter es so eloquent erläutert, der sich vom Alter, Geschlecht und dem Bildungsniveau eben sehr von den Kunden und ihrer Wahrnehmung unterscheidet.
Auch das Thema Vertrauensaufbau nehmen langfristig denkende Unternehmer – und nur die überleben im Markt – viel wichtiger als Vorstände von Publikumsaktiengesellschaften, deren Zeitverträge oft schon nach drei Jahren enden. Die emotionalen Reaktionen beim Vertrauensaufbau der Besucher einer Website lassen sich aber ganz ehrlich mithilfe von Eye-Tracking durch die Pupillenveränderungen messen. Und sie müssen nicht den Lippenbekenntnissen entsprechen, wie sie bei der „Think Aloud“ Methode der Usability Tester erhoben und berichtet werden können.
Nichts hat die Internet-Macht des David im Vergleich zum Goliath besser zum Ausdruck gebracht als der Cartoon-Klassiker von Peter Steiner. Deshalb ist die Qualität der Internet-Präsenz von so überragender Bedeutung für mittelständische Unternehmen im Vergleich zu den Großunternehmen. Kreativität, Humor, Verständnis für die Kunden, all das kann eine Internet-Seite reflektieren und genau dies sind häufig auch die Schwachstellen hierarchischer Großunternehmen, die mehr mit internen Machtspielchen beschäftigt sind, als sich um die Kunden zu kümmern.
Langfristig erfolgreiche Unternehmer geben keine Usability Studien in Auftrag, deren Ergebnisse so angenehm zu hören sind, weil sie vergangene Entscheidungen noch einmal bestätigen. Solche Unternehmer wollen unverblümt die Wahrheit über Schwachstellen wissen, wie z. B. bei den Web-Formularen auch dann, wenn es dadurch zu Konflikten mit Mitarbeitern kommen kann, die z. B. am Webdesign noch einmal Änderungen vornehmen müssen.
Durch Eye-Tracking fundierte Usability Studien könnte man auch als institutionalisiertes, proaktives Beschwerdemanagement bezeichnen, das nicht mehr darauf wartet, dass die Beschwerden der Kunden im Email-Postfach landen und sich danach mühsam durch die Unternehmenshierarchie ihren Weg nach oben kämpfen, sondern die den Kunden endlich einmal unvoreingenommen zuhört und sie dabei beobachtet, was ihre Blicke uns sagen wollen und können.
Nachfolgend geben wir einige Beispiele dafür, wie kleinere mittelständische Unternehmen Eye-Tracking nutzen, um ihre Kunden bzw. Leser besser zu verstehen, um innovative Dienstleistungen anzubieten, die Mensch-Computer-Interaktion zu verbessern, die Wirkung ihrer Werbung zu optimieren, visuelle Displays in den Verkaufsräumen wirkungsvoll einzusetzen und die Kunden dabei zu beobachten, worauf sie beim Kauf wirklich achten.
Lokale Tageszeitungen
Lokale Tageszeitungen sind gleich von zwei Seiten einem extremen Verdrängungswettbewerb ausgesetzt: durch die kostenlosen Nachrichtenangebote auf dem Internet und die kostenlosen lokalen Anzeigenblätter. Gleichzeitig könnten lokale Zeitungen aber von Trends wie der Urbanisierung, dem Wachstum der Freizeitindustrien, der unterschiedlichen Entwicklung der Wohnungsmärkte und den Verkehrsproblemen profitieren, um nur einige der Themengebiete zu nennen, die den Lokalzeitungen zu einer Renaissance verhelfen könnten – vorausgesetzt sie verstehen ihre Leser. Und das kann man am besten, wenn man sie beim Lesen beobachtet.[1] So wurde im Rahmen eines EU-Projektes eine Eye-Tracking Studie an der Fachhochschule Hannover zum Kaufverhalten der Leser der Ostfriesen-Zeitung durchgeführt, um die erste Seite attraktiv zu gestalten.[2]
Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass für Zeitungen und Zeitschriften Eye-Tracking derart wichtig ist, dass es sich für diese Unternehmen finanziell eindeutig lohnt, eine hausinterne Eye-Tracking Abteilung aufzubauen, die kontinuierlich die Wahrnehmung der Artikel durch die Leser erhebt und den Journalisten hierzu Feedback gibt.
Fahrschulen – Fahrräder, Motorräder, Kfz
Wer sich die Eye-Tracking Studien zur Unfallprophylaxe angeschaut hat, für den ist es offensichtlich, dass man die Erkenntnisse, die man auf diese Weise gewinnen kann, hervorragend für die Ausbildung von Fahrradfahrern, Motorradfahrern und Kfz-Fahrern einsetzen kann. Das mag zwar auf den ersten Blick teurer sein als gewöhnliche Fahrstunden. Wenn man sich aber die Häufigkeit und die Folgen der Verkehrsunfälle auf deutschen Straßen anschaut, dann verschwindet die Bedeutung dieser Kosten sehr schnell, besonders wenn man sich vorstellt, dass die eigenen Familienmitglieder betroffen sein können. Und das trifft für alle Altersgruppen zu: für unsere Kinder, weil sie noch über keine ausreichende Erfahrung im Verkehr verfügen, für unsere Heranwachsenden, weil sie sich permanent selbst überschätzen und für unsere Eltern, weil sie nicht wahrhaben wollen, dass ihre Sinneswahrnehmungen und ihre Konzentrations- und Reaktionsfähigkeiten nachlassen.
So schreiben Kerwien, Fellmer und Schwalbe [2016, S. 8] über ihre Erfahrungen beim Einsatz von mobilen Eye-trackern in der Ausbildung von Motorradfahrern:[3]
„Eye-Tracking Analysen: Bis zum heutigen Zeitpunkt hatte ein Trainer oder Fahrlehrer lediglich die Möglichkeit, sich auf die Helmbewegungen des Fahrers zu stützen. Mögliche Fehler oder mangelhafte Bewegungsausführungen (z.B. schlechte Linienführung) können so nur indirekt auf eine nicht probate Blickführung schließen lassen. „Wo hast Du hingeschaut?“ Die Antworten darauf sind oft sehr unpräzise. Die Vorteile von Eye-Tracking Analysen sind die Mitschaumöglichkeit für Gruppenarbeiten in Fahrschulen und im „Advanced Rider Training“. Im Einzelcoaching wie etwa in der Fahrschulausbildung kann nun passgenau auf den Schüler/Trainingsteilnehmer eingewirkt werden. Mit der Eye-Tracking Brille lassen sich Blickstrategien belegen, Fehler aufdecken und modifizieren. Durch einen Vorher-Nachher-Vergleich lassen sich Veränderungen in der Blickstrategie aufzeigen und weiter perfektionieren.“
Fahrsimulation mit Eye-Tracking
Fahrsimulatoren waren in früheren Jahren unerschwinglich, doch seit einigen Jahren werden auch diese Hightech-Geräte preiswerter. So berichtet das Langenthaler Tagblatt (Berner Zeitung) über den Einsatz von Eye-Tracking in einem Fahrsimulator der Polizei, Sanitäter und Feuerwehr: [4]
„Hier fährt man nach dem Crash einfach weiter
Wer mit Blaulicht und Sirene unterwegs ist, ist besonderen Gefahren ausgesetzt. Bis jetzt waren Simulatoren zu groß und zu teuer. Nun aber werden sie für Polizei, Sanität und Feuerwehr erschwinglich.“
In den Simulator ist ein Eye-Tracking System integriert:
„«Er nimmt die Bewegungen der Pupillen auf», sagt Walther. Wird die Simulationsfahrt am Computer geübt, wird immer ersichtlich, wohin der Blick des Fahrers geht. Wer den Blick in den Rückspiegel vergisst, wird entlarvt.“
Es wird wahrscheinlich nicht mehr lange dauern, bis die Gaming Industrie das Thema entdeckt und Fahrsimulatoren für Motorräder, Fahrräder und PKWs anbietet, die dem Spieler durch Eye-Tracking aufzeigen, was er alles übersehen hat und dementsprechend wenig Punkte erhält. Dann könnten Großeltern und Enkelkinder gemeinsam spielen, dadurch lernen und im Endeffekt.
Eye-Tracking für Start-ups – Mobile Commerce
Die Entwicklung von Apps, die gerade junge Menschen auf ihren Smartphones nutzen, ist ein typisches Aktivitätsfeld für Start-Up Firmen, die ebenfalls den KMUs zuzurechnen sind. Auch für diese Anwendungen ist die Nutzerfreundlichkeit entscheidend für den Markterfolg. Insbesondere dann, wenn sich die Kundengruppe stark von der Gruppe der Start-Up Unternehmer unterscheidet, kann es leicht zu Nutzerproblemen kommen, die den Entwicklern gar nicht bewusst sind. Deshalb sind auch hier Usability Studien mithilfe von Eye-Tracking so wichtig. Der Wettbewerb unter diese Start-Up Firmen ist sehr intensiv, und es sind immer die Kunden – nicht die Investoren – die über den langfristigen Erfolg der Unternehmen entscheiden. Deshalb sind Investoren gut beraten von den Unternehmen, in die sie investieren, die Ergebnisse einer soliden und ehrlichen Usability Studie mithilfe von Eye-Tracking zu verlangen. Denn sowohl die Start-Up Unternehmer als auch ihre Investoren übersehen in ihrer Euphorie sehr häufig den alles entscheidenden Faktor für den Erfolg und Misserfolg: die Sichtweise des Kunden. Und das lässt sich am ehrlichsten dadurch in Erfahrung bringen, dass man durch die Augen des Kunden schaut. Dafür braucht man aber nun einmal Eye-Tracking. [5]
Handwerk – Metzgereien
Bemerkenswerterweise kommt Eye-Tracking mittlerweile auch im Handwerk zur Anwendung. Ein Bespiel hierfür ist die MHG Beratung und Marketing GmbH (Metzgereiberatung und Fleischereiberatung), die Eye-Tracking schon seit längerer Zeit erfolgreich einsetzt. Dieses Unternehmen vertreibt auch animierte digitale Displays für Verkaufsräume, die sich für ganz unterschiedliche Unternehmen eignen, wie z. B. Metzgereien, Buchhandel, Konditoreien, Augenoptiker und Bankfilialen. Durch diese Displays können wartenden Kunden weitere Produktangebote gemacht oder ihre Aufmerksamkeit auf innovative Angebote gelenkt werden. Um ein Beispiel zu nennen: In Konditoreien werden typischerweise immer nur diejenigen Torten im Laden angeboten, für die erfahrungsgemäß kontinuierlich eine ausreichende Nachfrage besteht, sodass das Angebot immer frisch ist. Das ist aber nur eine kleine Auswahl derjenigen Torten vorgehalten, die der Konditormeister produzieren könnte. Auf solchen digitalen Displays können den Kunden aber auch viele andere Torten gezeigt werden, die sie ab einer bestimmten Mindestmenge bestellen könnten.[6] Digitale Displays in Verkaufsräumen eignen sich, um Kunden auf weitere Angebote aufmerksam zu machen. Durch Eye-Tracking lässt sich dann verifizieren, ob diese Maßnahme zum Visual-Merchandising ausreichend wahrgenommen wird.
Regionalbanken
Bei all den Diskussionen um die Skandale der Großbanken gerät immer mehr aus den Augen, dass es die kleineren mittelständischen Regionalbanken sind, die das Rückgrat des deutschen Finanzsystems darstellen. Und es sind diese Banken, denen die Kunden auch ganz berechtigterweise vertrauen können, denn ihre Vorstände haben gar nicht die finanziellen Anreize für fragwürdige Geschäftstätigkeiten, die erwiesenermaßen das langfristige Überleben einiger Großbanken gefährdet haben. Vorstände von Regionalbanken haben sozusagen „die Bodenhaftung“ bewahrt, sind eingebunden in ihre lokale Gemeinschaft und denken langfristig – eben wie ihre Firmenkunden auch.
Regionalbanken gehören zu den KMUs und auch ihre Firmenkunden entstammen vorwiegend der Gruppe der KMUs. Welche nachhaltigen Beiträge kann nun Eye-Tracking für den Geschäftserfolg dieser Gruppe der Unternehmen leisten? Zwei Anwendungsgebiete für Eye-Tracking springen sofort ins Auge: Die Überprüfung der Lese springen Lesefreundlichkeit von marketingrelevanten Texten und der Vertrauensaufbau beim Besuch der Internetseiten der Regionalbank.
Die marketingrelevanten Texte im Bankenbereich sind häufig von Juristen geschrieben, denn die Kreditwirtschaft handelt de facto mit Verträgen. Deshalb kann es sich eine Bank auch nicht leisten, unpräzise oder im schlimmsten Fall sogar irreführende Formulierungen in Texten zuzulassen, die die Grundlage für den Vertragsabschluss bilden. Das könnte sehr kostspielige Regressklagen nach sich ziehen. Gleichzeitig aber sind Sätze mit dreifachen Verneinungen, die sich über acht Zeilen hinziehen, nicht wirklich lesefreundlich. Und sie führen zu dem, was jeder Finanzverkäufer beobachten kann: „Was der Kunde nicht versteht, das kauft er nicht.“ Wie löst man das Dilemma?
Der erste Schritt besteht in der Sprachvereinfachung mithilfe von dem, was man „Leichte Sprache nennt“. Auf die Unverständlichkeit ihrer Texte angesprochen werden viele Juristen milde lächelnd antworten, dass die Übersetzung ihrer Texte in „Leichte Sprache“ sachlich unmöglich sei, weil ihre Materie ja „viel zu komplex sei“. Auf diese Antwort kann man – ebenfalls milde lächelnd – erwidern, dass es mittlerweile Fachübersetzungsdienste gibt, wie z. B. die Fachübersetzerin für juristische Texte in die Leichte Sprache, Nikola Pridik. Im lesenswerten Beitrag „Übersetzung juristischer Texte in Leichte Sprache – ein Interview“ auf ihrer Website wird erklärt, wie das möglich ist. Durch Eye-Tracking wiederum kann man objektiv für die unterschiedlichsten Zielgruppen überprüfen, wie mühelos und schnell das Lesen für sie tatsächlich durch diese Übersetzung geworden ist.
Ein weiterer Weg, die Verständlichkeit abstrakter juristischer Zusammenhänge zu erhöhen, besteht darin, sie zu visualisieren. Das Arbeitsfeld „Visualization of Law“ ist zwar noch recht jung, aber angesichts der großen wirtschaftlichen Bedeutung für den internationalen Handel und das Zusammenwachsen der Europäischen Union ist es absehbar, dass sich dieses Gebiet sehr schnell wachsen wird. Die Visualisierung komplexer Zusammenhänge erleichtert sehr das Verständnis aller Menschen. Und auch für die objektive Überprüfung der Verständlichkeit von Grafiken eignet sich Eye-Tracking.
Die Grundlagen aller Verträge im Kreditwesen ist Vertrauen. Finanzkontrakte sind klassische Vertrauensgüter. Der Aufbau von Vertrauen, das gerade einigen Großbanken gegenüber aus berechtigten Gründen so nachhaltig zerstört wurde, ist aber selbstverständlich auch eine Reaktion, bei der uns unsere Emotionen leiten und leiten müssen. In den Abschnitten „Messung von Emotionen“ und „iv. Wie kann das Vertrauen der Besucher von Websites gestärkt werden?“ diskutieren wir ausführlich, wie Eye-Tracking wahrheitsgetreu die emotionalen Reaktionen des Menschen objektiv und wahrheitsgetreu messen kann. Deshalb sollte es zwingend für Regionalbanken sein, die Vertrauenswürdigkeit ihrer Website durch Eye-Tracking Studien zu testen und durch A/B-Tests alternative Designs auf ihren Einfluss auf die Vertrauenswürdigkeit zu prüfen.
Schließlich bietet sich auch für Banken die Nutzung von digitalen Displays an, die in den Schalterräumen der Bankfiliale die wartenden Kunden auf interessante Angebote ihrer Finanzprodukte aufmerksam machen sollten. So hat das UX-Beratungsunternehmen Objective Asia (Singapore) Eye-Tracking genutzt, um die Aufmerksamkeit zu messen, die diesen Displays geschenkt wird.[7]
Immobilienmakler
Die Entscheidung beim Immobilienkauf ist ein weiteres Beispiel für eine Kaufentscheidung, die vorwiegend durch visuelle Eindrücke geleitet wird. Damit stellt sich aber die Frage, was Käufer bei der Inaugenscheinnahme denn tatsächlich wahrnehmen und worauf sie achten. Dieser Frage ist das Unternehmen Anglian Home Improvements aus Nottingham nachgegangen und hat dabei Eye-Tracking eingesetzt:[8]
“Here’s what house hunters are really looking at when they view your home”
“Do you look at the rooms or the contents? A study that uses eye tracking technology, has revealed exactly what people look for when they view a property, and it’s not necessarily your charming period features. Clutter and mess are the biggest distractions, according to the research by Anglian Home Improvements, which studied a range of house hunters while they viewed a property wearing eye tracking glasses to see what actually grabbed their attention.”
Eines der interessanten Ergebnisse dieser Studie ist die Tatsache, dass sie deutlich gemacht hat, dass männliche und weibliche Käufer von Wohnimmobilien auf ganz unterschiedliche Aspekte, Eigenschaften und Elemente des Objektes achten. Da aber bei Ehepaaren selbstverständlich auch die Frau ein sehr großes Mitspracherecht hat – wenn sie nicht sogar den Ausschlag für oder gegen eine Kaufentscheidung gibt – können sich Immobilienmakler es sich nicht leisten, den Kriterien, die Frauen favorisieren, weniger Aufmerksamkeit bei der Preisfindung zu geben als die der Männer.
[1] Bildnachweis: http://betterposters.blogspot.de/2010/10/eye-tracking.html
[2] Angulo, Julio und Glavenius, Eva, [2011], „Eyecatching for local newspaper – Case Study”, Fachhochschule Hannover, 2011.
[3] Kerwien, Hartmut, Fellmer, Martin und Schwabe, Klaus, [2016], „Neueste Erkenntnisse & Erfolge beim Einsatz von Eye-Tracking in der Motorradausbildung sowie beim Motorradtraining“, White Paper, AVP Institut, Plettenberg, Deutschland und viewpointsystem gmbh, Wien, Österreich, August, 2016.
[4] Johannes Reichen, Martin Bürki, [2016], „Hier fährt man nach dem Crash einfach weiter“, Berner Zeitung – Langenthaler Tagblatt, 30.05.2016.
[5] Aufgrund der kleinen Displays sind bei der Analyse mithilfe von Eye-Tracking allerdings sehr präzise mobile Eye-tracker erforderlich. Bildnachweis: https://www.tobii.com/group/news-media/press-releases/tobii-technology-introduces-most-precise-eye-tracking-solution-available-for-mobile-device-testing/
[6] http://euro-store.tv/neu_produkte_augenkamera.asp
[7] “Eye Tracking Facilitates Customer Experience Design – A case study of DBS Bank Singapore”, Bildnachweis: https://www.slideshare.net/objectivedig/unconscious-and-eye-tracking-nov-2013 https://image.slidesharecdn.com/unconsciousandeyetrackingnov2013-131124230530-phpapp01/95/unconscious-and-eye-tracking-cx-research-42-638.jpg?cb=1385412377
[8] http://www.nottinghampost.com/news/property/heres-what-house-hunters-really-173557